EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen räumt 57 Flüge mit Privatjets ein. Das Timing ist denkbar ungünstig. – Eine Glosse für Europe.Table
Ganze zehn Monate hatte Ursula von der Leyen Gelegenheit, ein brisantes Thema aus der Welt zu räumen: die klimapolitisch nicht korrekten Dienstreisen der EU-Kommission im Privatjet. So viel Zeit ist seit der ersten schriftlichen Anfrage des Linken-Abgeordneten Martin Schirdewan im November 2022 vergangen.
Ein schönes „Window of opportunity“ hat sich im Frühjahr geöffnet, als Ratspräsident Charles Michel – seit der Sofa-Affäre von der Leyens ärgster Widersacher – wegen seiner sündhaft teuren Charterflüge ins Kreuzfeuer geriet. Im Windschatten dieses Skandals hätte auch die Kommissionschefin Farbe bekennen können.
Doch die günstige Gelegenheit wurde verpasst, das Parlament hat Druck aufgebaut – und nun sieht sich von der Leyen gezwungen, zum ungünstigsten Zeitpunkt den Offenbarungseid zu leisten. Ausgerechnet einen Tag vor ihrer SOTEU-Rede in Straßburg am Mittwoch hat ihre Behörde pikante Zahlen genannt.
Nicht weniger als 57 Mal, so Behördensprecher Eric Mamer, sei seine Chefin in den letzten zwei Jahren in Privatjets geflogen. „Die Nutzung von Privatflügen ist immer durch einen Mangel an kommerziellen Flugoptionen begründet“, so Mamer. 2021 und 2022 habe es wegen der Corona-Pandemie zu wenig reguläre Flüge gegeben.
Wenn das so ist, dann hätte die Kommission es allerdings auch schon viel früher zugeben können. Doch war es wirklich so? Mußte von der Leyen tatsächlich von Brüssel nach Straßburg oder Berlin im privaten Lufttaxi fliegen? Hätte sie nicht genausogut den Zug nehmen können, der noch dazu günstiger und klimafreundlicher ist?
Und wie passt das alles zum „European Green Deal“, den von der Leyen am Mittwoch in Straßburg preisen will? Warum setzt die EU-Kommission ihre eigenen Vorgaben nicht um? Die Vielfliegerin aus Hannover (auch dahin ging es im Privatflieger) muss sich auf weitere Fragen gefasst machen.
Immerhin gelobt sie Besserung. Bei den letzten großen Reisen nach Nairobi, Abu Dhabi und nach New Delhi sei sie schon Linie geflogen. Gut so! Doch mal ehrlich: In Privatjets wäre es nun wirklich zu teuer geworden. Und die Frage nach den Kosten der vergangenen 57 Charterflüge ist auch noch nicht beantwortet…