Das strategische Dilemma der Europäer

Russland, China oder gar die USA – wer ist aktuell der größte Gegner? Ein Sondergipfel in Brüssel hat das strategische Dilemma der Europäer offengelegt. Aufrüsten wollen sie trotzdem, doch dafür fehlt das Geld. – Eine Kolumne für den „Makroskop“

Europa muss aufrüsten, koste es was es wolle. Dies ist das neue Mantra in Brüssel.

Mitten in einer schweren Wirtschaftskrise sollen mehr Ressourcen in Kriegswaffen und Munition gesteckt werden – also in eine sündhaft teure und unproduktive Branche. Trotz der offenbar bereits laufenden Bemühungen um einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine sollen die Kriegsvorbereitungen vorangetrieben werden.

Nicht nur NATO-Generalsekretär Mark Rutte, sondern auch EU-Ratspräsident Antonio Costa, Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Olaf Scholz fordern die Wiederbewaffnung des alten Kontinents. Costa hat sogar einen Sondergipfel in Brüssel organisiert, um die europäische „Verteidigungsunion“ voranzubringen.

Doch nach dem „Retreat“ hinter verschlossenen Türen zeichnet sich kein Fortschritt ab. Am Ende war nicht mal klar, gegen wen sich Europa verteidigen soll. Geht es gegen Russland? Gegen China? Oder vielleicht auch gegen die USA und ihren imperialen Präsidenten Donald Trump, der neuerdings sogar Grönland und Dänemark droht?

Früher wäre das undenkbar gewesen, heute ist es nicht mehr ausgeschlossen. Der Chef des EU-Militärausschusses, General Robert Brieger, spricht sich bereits für EU-Soldaten auf Grönland aus: „Das wäre ein starkes Signal und könnte zur Stabilität beitragen“. So könne man nicht nur Trump in Schach halten, sondern auch Putin und Xi.

Eine Neubewertung der strategischen Lage fordert auch die renommierte Leitartiklerin Sylvie Kauffmann in Le Monde. Man müsse die USA unter Trump womöglich nicht mehr nur als Konkurrenten, sondern auch als Gegner betrachten, meint Kauffmann. Deshalb müsse sich die EU neu aufstellen und von den USA unabhängig machen.

Die Idee ist nicht neu. Frankreich fordert schon seit langem, dass Europa eine „strategische Autonomie“ entwickeln soll – unabhängig von und zur Not auch gegen die USA. In Trumps erster Amtszeit sah es auch eine Zeitlang so aus, als käme Bewegung in die Debatte. Sogar von der Leyen redete von Autonomie und Souveränität.

Doch geschehen ist wenig, unter Joe Biden suchte die EU wieder den transatlantischen Schulterschluss. Heute ist sie abhängiger von den USA denn je – auch und gerade bei Rüstung und Verteidigung. 

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