Klimaschutz auf der Kippe, Asylkompromiss trägt nicht – und Abschied vom Bargeld?

Die Watchlist EUropa vom 16. Juni 2023. Heute mit dem Eklat um das Renaturierungs-Gesetz im Europaparlament, einer Analyse des Asylkompromisses der EU-Innenminister – und dem digitalen Euro, der das Bargeld ersetzen könnte.

„Klimaschutz steht auf der Kippe“

Paukenschlag im Europaparlament: Ein wichtiger Pfeiler des „European Green Deal“, das geplante EU-Gesetz zur Renaturierung, hat bei einer Kampfabstimmung am Donners-tag im Umweltausschuss keine Mehrheit gefunden. Deutsche Christdemokraten, Konservative und die ID-Fraktion, zu der auch die AfD gehört, blockierten eine Entscheidung.

Sie konnten 44 Abgeordnete mobilisieren, genauso viele wie die Befürworter. Das reichte nicht, um den Text „in die Tonne zu treten“, sagte der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. Bei einem dreistündigen Abstimmungs-Marathon fand sich jedoch auch keine Mehrheit für den Entwurf. Die Sitzung wurde auf den 27. Juni vertagt.

Die umstrittene Verordnung zur Wiederherstellung der Natur gilt als Kernstück des „Green Deal“ und sieht vor, dass bis 2030 geschädigte Ökosysteme auf 20 Prozent der Fläche der EU „wiederhergestellt“ werden. Bis 2050 müssen dem Entwurf zufolge sogar alle Ökosysteme in Europa wieder in einem gesunden, „natürlichen“ Zustand sein.

Die Konservativen und Rechten hatten gefordert, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Sie behaupten, er schade den Bauern und gefährde die Lebensmittelversorgung. Demgegenüber haben sich Grüne, Sozialdemokraten, Liberale und Linke für das Gesetz ausgesprochen. Sogar große Konzerne wie Nestlé oder IKEA warben für den Entwurf.

Das heftige Tauziehen schlug sich in 2500 Änderungsanträgen nieder, berichtete der Chef des Umweltausschusses, Pascal Canfin. Es artete sogar in eine verbale Schlammschlacht aus. Befürworter und Gegner warfen sich gegenseitig vor, Desinformation zu verbreiten. Auch Manfred Weber, der Chef der mächtigen EVP, geriet unter Beschuss.

Weber habe Mitgliedern seiner konservativen Fraktion mit dem Rauswurf gedroht, wenn sie nicht gegen den Entwurf stimmen sollten, behauptet Canfin. Der CSU-Politiker nutze das Gesetz, um Allianzen mit der extremen Rechten zu schmieden, warnen Grüne und Linke. Weber hat diese Vorwürfe zurückgewiesen – doch der Streit geht weiter.

Nach der zweiten Abstimmung im Umweltausschuss in zwei Wochen ist noch ein Votum im Plenum geplant – und dort könnte der Entwurf ebenfalls scheitern…

Mehr hier (Beitrag für die „taz“)

Warum Faesers Asylkompromiss nicht trägt

Vor einer Woche haben sich die EU-Innenminister auf einen Kompromiss zur Asylreform geeinigt. Bundesinnenministerin Faeser hat ihn als „historisch“ gefeiert, die Grünen und Teil der SPD laufen dagegen Sturm. Welche Erfolgsaussichten hat der Deal? Mit dieser Frage habe ich mich in meiner neuen Kolumne für den „Makroskop“ beschäftigt. Sie steht hier.

Update KI-Gesetz: „AI Act kommt zu spät“

Das erste KI-Gesetz greift zu kurz – und ist schon überholt, schrieben wir auf „Lost in EUrope“. Ganz ähnlich sieht es die „Süddeutsche Zeitung“:

Die EU-Mühlen aber sind, wie sie sind: langsam. Erst einmal wird das Gesetz im Trilog zwischen der EU-Kommission, den Mitgliedsstaaten und dem Parlament weiter geknetet. Danach gibt es eine Übergangsfrist, vermutlich bis 2026, bis die neuen Regeln auch wirklich gelten. Dass man deshalb für die Zeit bis dahin an freiwillige Verpflichtungen der Industrie denkt, ist zwar gut gemeint. Nur funktioniert hat es bisher so gut wie gar nicht. Dafür geht es hier auch einfach um zu viel Macht und zu viele Milliarden.

SZ

Watchlist

Wird der digitale Euro zum gesetzlichen Zahlungsmittel? Das wünscht sich die EU-Kommission. Laut einem Gesetzentwurf, über den Reuters berichtet, soll die EZB die nationalen Notenbanken in der Euro-Zone autorisieren können, digitale Euro in Umlauf zu bringen. Dies könne Innovationen wie Sofortüberweisungen vereinfachen. Der Sorge der Finanzbranche, dass die EZB ins Kundengeschäft eingreifen könnte, tritt die Kommission entgegen: Zwischen dem Nutzer des digitalen Euro und der Europäischen Zentralbank „würde kein Konto oder sonstiges Vertragsverhältnis entstehen.“ – Bleibt die Frage: Was wird aus dem Bargeld?

Was fehlt?

Das Europaparlament ruft nach der Nato. Die Abgeordneten haben die Nato aufgefordert, der Ukraine nach dem Ende des russischen Angriffskriegs den Weg ins westliche Verteidigungsbündnis zu ebnen. In einer am Donnerstag in Straßburg verabschiedeten Entschließung heißt es, das Verfahren zum Beitritt solle nach Kriegsende beginnen und so rasch wie möglich abgeschlossen werden. 425 Abgeordnete stimmten dafür, 38 dagegen. 42 enthielten sich. – Merkwürdig. Deutschland ist gegen einen schnellen Nato-Beitritt – haben die 96 deutschen EU-Abgeordneten den Schuss nicht gehört?

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