Die Watchlist EUropa vom 13. Juni 2023. Heute mit dem Tod von Berlusconi (und seinem europäischen Erbe), der ukrainischen Gegen-Offensive (und ihren hohen Kosten) – und dem Streit um die Asylreform
Silvio Berlusconi ist tot. In Brüssel wird der Cavaliere vor allem als Risikofaktor für den Euro und „Erfinder“ des „Populismus“ in Erinnerung bleiben. Ex-Kanzlerin Merkel hat ihn aus dem Amt gedrängt, um Reformen in Italien zu erzwingen, die den Euro aber auch nicht dauerhaft stabilisiert haben. Und Ex-Parlamentschef Scholz hat sich an Berlusconi abgearbeitet – für die (deutschen) Sozialdemokraten war er ein Lieblingsfeind, die öffentlichen Wortgefechte hat Scholz provoziert und genossen.
Was in Brüssel kaum diskutiert wird, ist, dass der „Populismus“ à la Berlusconi mittlerweile hoffähig geworden ist. Erst letzte Woche machte Kanzler Scholz bei der italienischen Postfaschistin Meloni seine Aufwartung. Am Sonntag reiste EU-Chefin von der Leyen mit Meloni nach Tunis, um dort einen neuen Flüchtlingsdeal einzufädeln. In Stockholm, beim schwedischen EU-Vorsitz, haben die Rechtspopulisten im Hintergrund ein gewaltiges Wörtchen mitzureden.
Und im Europaparlament propagiert EVP-Chef Weber (CSU) taktische Bündnisse mit den italienischen Populisten. Berlusconi war Webers großes politisches Vorbild, er hat die Beziehungen bis zuletzt gepflegt!
Sein Tod markiert denn auch nicht das Ende einer Ära, sondern eher schon deren Höhepunkt. Italien, Schweden, Finnland, demnächst vielleicht Spanien oder Griechenland, ja sogar Frankreich: In ganz EUropa ist der Rechtspopulismus à la Berlusconi auf dem Vormarsch. Die EU hat keine Berührungsängste mehr – im Gegenteil: Sie lässt sich, wie beim Asyl-Kompromiss der Innenminister, von Populisten und Nationalisten treiben…
Mehr auf “Lost in EUrope” – Archiv zu Berlusconi
Update Gegen-Offensive: Bis zu 5000 Tote
Die Gegen-Offensive der Ukraine brachte zunächst keine Erfolge, hieß es bei „Lost in EUrope“. Zu einem ähnlichen Schluß kommt die „Berliner Zeitung“. Russland habe aus den Niederlagen gelernt und sich zur Verteidigung besser aufgestellt. Den Preis zahlten die Eliteeinheiten der ukrainischen Armee: bei Orichiw die (laut russischer Militärblogger so gut wie aufgeriebene) 47. Brigade, außerdem die Brigaden 65 aus Lwiw und 117 aus Sumi. Dass selbst die „Bild“-Zeitung russische Aufnahmen zerstörter Nato-Technik verbreitet – „liegengeblieben während der Offensive: ein aus Deutschland gelieferter Leopard 2A6, amerikanische M2A2-Schützenpanzer und ein BMR-2-Minenräumer“ –, dürfe als Wahrheitsbeleg gelten. Angeblich hat der gescheiterte Angriff auf der ukrainischen Seite 5000 Tote gefordert. – Eine ähnliche Geschichte hat auch der „Standard“, mehr hier
Update Asylreform: Polen schmiedet Blockade-Allianz
Die EU-Asylreform beruht auf wackligen Kompromissen, jedoch nicht auf einem tragfähigen Konsens, hieß es auf „Lost in EUrope“. Wie zur Bestätigung kommt nun die Meldung, dass Polen eine Blockade-Allianz schmieden will. Poland will attempt to block the migration and asylum pact that the Council of the EU adopted last week and build a coalition of opponents, conservative Law and Justice (PiS) government spokesman, Piotr Müller, told TVP Info on Sunday. Quelle: „EurActiv“.
Watchlist
Schafft EU-Chefin von der Leyen einen “Neustart” in den Beziehungen zu Lateinamerika? Sie ist zu politischen Gesprächen unterwegs, am Dienstag weilt sie in Argentinien. Von der Leyen trifft in Buenos Aires u.a. Präsident Alberto Fernández. Weitere Stationen der Reise sind Chile und Mexiko. Nach der Vorstellung der neuen Agenda für die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik geht es darum, die Beziehungen zu den wichtigsten Partnern in der Region zu stärken. Am Montag war von der Leyen bereits in Brasilien. Letzte Woche war dort auch die deutsche Außenministerin Baerbock – dich ihr Besuch war ein Flop. – Siehe auch “Kein Bock auf Baerbock”
Was fehlt
Der Streit um die Zwei-Prozent-Hürde bei der Europawahl. Eine Reihe kleinerer Parteien appelliert an den Bundestag, sich gegen die Einführung einer Zwei-Prozent-Hürde für die Europawahl zu stellen. „Diese Prozenthürde stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundsätze des Wahlrechts und in die Chancengleichheit politischer Parteien dar“, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Brief, der unter anderem von Vertreterinnen und Vertretern von Piratenpartei, Volt, Die Partei, ÖDP und der Partei der Humanisten unterzeichnet wurde. In Deutschland gibt es derzeit keinerlei Sperrklausel bei Europawahlen. Sie widerspricht einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014. Um eine solche Klausel dennoch wieder einzuführen, ist eine verfassungsändernde Mehrheit von zwei Dritteln sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat nötig. – Siehe auch “Sonneborn gegen Sperrklausel”